Münchner Zentrum für antike Welten
RSS Facebook-Page

Eine Übersetzung dieser Seite steht leider nicht zur Verfügung.

Lateinische Philologie

Das Imperium Romanum erzählen: Raumstrukturen in der römischen Geschichtsschreibung der frühen und mittleren Kaiserzeit

Förderungszeitraum: November 2014 - Oktober 2017
 
In den Werken griechischer und römischer Historiker spielen narrative Strukturen bei der Konstruktion und Interpretation der Vergangenheit eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren haben einige kritische Studien auf die antike Historiographie erzähltheoretische Ansätze erfolgreich angewandt. Während die Analysen der griechischen Geschichtsschreibung schon zahlreich sind, sind im Bereich der römischen Historiographie nur einige Aspekte verhandelt worden. Ein noch sehr wenig erforschter Aspekt, der von besonderem Interesse ist, betrifft den Raum als narrative Kategorie bei römischen Historikern. 
Mein Projekt zielt darauf ab, eine erzähltheoretische Analyse des Raums in lateinischen historiographischen Werken der frühen und mittleren Kaiserzeit durchzuführen. Ich konzentriere mich insbesondere auf die Ab urbe condita libri des Livius, die Historia Romana des Velleius Paterculus, die Historiae und die Annales des Tacitus. Ich gehe von der Annahme aus, dass, weil der Raum und die Zeit zwei untrennbare Kategorien sowohl des historischen Geschehens als auch der Erzählung darstellen, die Raumkonstruktion ein essentielles Element der Vergangenheits- und Gedächtniskonstruktion ist.
Die wichtigste Aspekte, die ich erforsche, sind die folgende:
1) Die Techniken der Raumkonstruktion. Welche räumliche Informationen werden in den Texten vermittelt? Welche Rolle spielt die explizite Beschreibung von Orten und wie viele Informationen werden dagegen durch indirekte Mittel geliefert? Inwiefern konstruieren Historiker die Umgebung der erzählten Ereignissen nach realen Informationen über bestimmte Orte und inwiefern spielen literarische Elemente eine Rolle?
2) Die narrativen Funktionen des Raums. Können räumliche Gegebenheiten in römischen historiographischen Werken eine symbolische Bedeutung haben? Kann ein Ort „Protagonist“ der Erzählung sein? Gibt es bestimmte „römische“ Räume und „fremde“ oder „feindliche“ Räume?
3) Die Bilder der erzählten Welt, die die Texte den Lesern vermitteln. Wie werden räumlich entfernte Ereignisse in die Erzählung arrangiert? Welches ist das deiktische Zentrum (bzw. die deiktischen Zentren) der Erzählung? Diese Aspekte der narrativen Organisation der Geschichtsschreibung können in der Gestaltung der Konzepte von „Zentrum“ und „Peripherie“ eine wichtige Rolle spielen.