Münchner Zentrum für antike Welten
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Constructions of "the Beautiful"

Menschen, Orte und Dinge wurden schon immer als „schön“ angesehen und beschrieben. Zeitschriftencover, Filme und andere zeitgenössische Medien spiegeln wider, bestimmen und kritisieren, was die Menschen des 21. Jahrhunderts als schön erachten. Heute stellen Museen Statuen, Reliefs und andere Relikte der Antike aus, die wir als repräsentativ für antike Konzeptionen von Schönheit betrachten.

Aber Schönheit ist mehr als nur ein Frage der Ästhetik. Sie war und ist ein Diskussionsfeld, auf dem soziale Verbindungen verhandelt werden. Tatsächlich wird erst im Dialog zwischen den sich zum Teil überschneidenden Gebieten institutioneller Macht und ideologischer Vorlieben festgelegt, welche Menschen, Orte und Objekte als schön bezeichnet werden.

Der menschliche Körper selbst hat oft als ein locus gedient, mit dem kulturelle Werte ausgedrückt und definiert wurden. Um kulturell gegebene Werte und Ideale zu verstehen, muss man genau und kritisch betrachten, wie die jeweilige Kultur den menschlichen Körper darstellt.
Beispielsweise spielte der Körper im antiken Griechenland eine zentrale Rolle im Verständnis von Leben und Tod. In der archaischen Zeit wächst die Zahl der Statuen von jungen Männern und Frauen in Tempeln und auf Friedhöfen. Diese Relikte idealisieren den Körper so sehr, dass es zuweilen schwer –wenn nicht sogar unmöglich – ist auszumachen, ob es sich bei der dargestellten Person um einen Gott bzw. eine Göttin oder einen Menschen handelt. In derselben Zeit werden zum ersten Mal Portraits der Toten auf Grabsteinen abgebildet. Betrachtet man die Ursprünge, regionalen Unterschiede, gegenseitigen Einflüsse sowie die Bedeutung des „schönen Toten“, so können diese einen Beitrag zu unserem Verständnis von visueller Erinnerung an die Verstorbenen in der Gesellschaft des antiken Griechenlands und vielleicht darüber hinaus leisten. Körperliche Bewegung bot ebenfalls eine Möglichkeit, um Schönheit und habitus sowie die damit einhergehenden sozialen Werte zu diskutieren. Platons Unterscheidung zwischen hässlichen und schönen tanzenden Körpern in den Nomoi lädt Wissenschaftler geradezu ein, kritisch über die kommunikativen Attribute des Tanzes im antiken Griechenland und anderen Teilen des antiken Mittelmeerraums nachzudenken.

„Schönheit“ war schon immer spezifisch für eine bestimmte Kultur und Zeit. Die meisten antiken Kulturen verstanden Schönheit oder Kunst nicht als eine separate Sphäre sozialer Existenz. Die unterschiedlichen Auffassungen von Schönheit in der Antike verlangen daher nach einer Auseinandersetzung der Wissenschaft mit einzelnen kulturellen Ansichten von Schönheit und einer kritischen Reflektion der Nützlichkeit von „Schönheit“ sowie verwandter Rubriken als heuristische Kategorien zugleich. Beispielsweise stellt ironischerweise die kritische Betrachtung des Materials, welches oft als „skythische Kunst“ (oder als der „skythische Stil“) bezeichnet wird, die Idee eines einzigen skythischen Volks und sogar eines einzigen skythischen Stils in Frage. Die eurasische Steppe war vielmehr ein multikulturelles und multiethnisches Gebiet aus teilweise nomadischen Gruppen. Daher sollte in der Wissenschaft der Gebrauch von Generalisierungen wie „Schönheit“ oder „Kunst“ vermieden werden, wenn von dem noch vorhandenen Material aus dieser Region gesprochen wird. Stattdessen sollte dieser Corpus an Artefakten mit hoch pointierten Modellen von ästhetischen Normen und visuellen Codes untersucht werden. Die unterschiedlichen Auffassungen von „Schönheit“, die sich quer durch Raum und Zeit erstrecken, laden außerdem dazu ein, antike corpora wie z.B. „kythische“ und „griechische“ Artefakte aus einer vergleichenden Perspektive zu untersuchen.

Angesichts der Komplexität, die „Schönheit“ in der Antike mit sich bringt, versucht die Focus Area „Constructions of ‚the Beautiful‘“ sowohl unabhängig als auch vergleichend darzustellen, wie die mannigfaltigen Möglichkeiten, in welchen Schönheit, Kunst und Körper sowie davon abgeleitete Konzepte in antiken Kulturen betrachtet und gehandhabt wurden. Gleichzeitig ist das übergeordnete Ziel dieser Focus Area, sich kritisch mit „Schönheit“ und verwandten Konzepten als moderne analytische Kategorien in der Alten Geschichte und angrenzenden Disziplinen auseinanderzusetzen.